© 2015 Die Urantia Stiftung
Schrift 62. Die Dämmerstunde der primitiven Menschenrassen |
Index
Mehrfachversion |
Schrift 64. Die evolutionären farbigen Rassen |
63:0.1 URANTIA wurde als bewohnte Welt registriert, als die ersten zwei menschlichen Wesen — die Zwillinge — elf Jahre alt waren und bevor sie zu Eltern der Erstgeborenen der zweiten Generation wirklicher menschlicher Wesen wurden. Und die Erzengel-Botschaft Salvingtons anlässlich der offiziellen planetarischen Anerkennung schloss mit diesen Worten:
63:0.2 „Der menschliche Verstand ist auf der Welt 606 von Satania erschienen, und diese Eltern der neuen Rasse sollen Andon und Fonta heißen. Und alle Erzengel beten dafür, dass diese Geschöpfe sehr bald mit der Gabe des ihnen persönlich innewohnenden Geistes des Universalen Vaters ausgerüstet werden.“
63:0.3 Andon ist ein nebadonscher Name und bedeutet: „Das erste dem Vater gleichende Geschöpf, das Hunger nach menschlicher Vollkommenheit zeigt.“ Fonta bedeutet: „Das erste dem Sohn gleichende Geschöpf, das Hunger nach menschlicher Vollkommenheit zeigt.“ Andon und Fonta wussten von diesen Namen nichts, bis sie ihnen zum Zeitpunkt der Fusion mit ihren Gedankenjustierern geschenkt wurden. Während ihres irdischen Aufenthalts auf Urantia nannten sie einander Sonta-an und Sonta-en, wobei Sonta-an „von der Mutter geliebt“ und Sonta-en „vom Vater geliebt“ bedeutet. Sie selber gaben sich diese Namen, deren Bedeutungen für ihre gegenseitige Hochachtung und Zuneigung bezeichnend sind.
63:1.1 In vieler Hinsicht waren Andon und Fonta das bemerkenswerteste Paar menschlicher Wesen, das je auf Erden gelebt hat. Dieses wunderbare Paar, die tatsächlichen Eltern der ganzen Menschheit, war vielen seiner unmittelbaren Nachkommen in jeder Beziehung überlegen, und es war grundverschieden von all seinen unmittelbaren und fernen Vorfahren.
63:1.2 Die Eltern dieses ersten Menschenpaares unterschieden sich anscheinend kaum vom Durchschnitt ihres Stammes, obwohl sie zu dessen intelligenteren Mitgliedern zählten, zu einer Gruppe, die als erste lernte, Steine zu werfen und beim Kämpfen Keulen zu verwenden. Sie machten auch von scharfen Stein-, Feuerstein- und Knochensplittern Gebrauch.
63:1.3 Als er noch bei seinen Eltern lebte, hatte Andon am Ende einer Keule einen scharfen Feuerstein befestigt, zu welchem Zweck er Tiersehnen benutzte, und sich dieser Waffe in nicht weniger als zwölf Fällen mit Erfolg bedient, dabei sein eigenes Leben und dasjenige seiner nicht minder abenteuerlustigen und neugierigen Schwester rettend, die ihn ausnahmslos auf all seinen Erkundungszügen begleitete.
63:1.4 Der Entschluss Andons und Fontas, von ihrem Primatenstamm wegzufliehen, setzt eine Verstandesqualität voraus, die weit über der gemeineren Intelligenz vieler ihrer späteren Abkömmlinge lag, die sich so weit erniedrigten, sich mit ihren zurückgebliebenen Vettern von den Affenstämmen zu paaren. Aber ihr undeutliches Gefühl, mehr als nur Tiere zu sein, war dem Besitz einer Persönlichkeit zuzuschreiben und wurde durch die innere Gegenwart der Gedankenjustierer noch verstärkt.
63:2.1 Nachdem Andon und Fonta den Entschluss gefasst hatten, nach Norden zu fliehen, wurden sie eine Zeitlang von Furcht überwältigt, insbesondere von der Furcht, das Missfallen ihres Vaters und ihrer nächsten Familienangehörigen zu erregen. Sie sahen voraus, dass feindliche Verwandte sie verfolgen würden, und rechneten mit der Möglichkeit, durch ihre ohnehin schon neidischen Stammesangehörigen umgebracht zu werden. Schon als Kinder hatten die Zwillinge die meiste Zeit miteinander verbracht und waren aus diesem Grunde bei ihren tierischen Vettern vom Primatenstamm nie besonders beliebt gewesen. Und durch den Bau einer getrennten und weit besseren Baumbehausung hatten sie ihre Stellung im Stamm nicht gerade verbessert.
63:2.2 Eines Nachts, als sie in diesem neuen Heim über den Baumwipfeln schliefen, wurden sie von einem heftigen Sturm aufgeweckt, und vor Furcht zitternd hielten sie sich zärtlich umschlungen und entschlossen sich endgültig und unwiderruflich zur Flucht, weg von der Stammesbehausung und den heimatlichen Baumkronen.
63:2.3 Etwa eine halbe Tagereise weit nach Norden hatten sie in einer Baumkrone bereits eine behelfsmäßige Zuflucht eingerichtet. Diese sollte ihr geheimes und sicheres Versteck am ersten, fern von ihren heimatlichen Wäldern verbrachten Tag sein. Trotz ihrer mit allen Primaten geteilten Sterbensangst davor, sich nachts am Boden aufzuhalten, traten die Zwillinge kurz nach Einbruch der Dunkelheit ihre Wanderung nach Norden an. Obwohl es ihnen außergewöhnlichen Mut abverlangte, diese nächtliche Reise — selbst bei Vollmond — zu unternehmen, zogen sie den richtigen Schluss, sie würden so mit geringerer Wahrscheinlichkeit von ihren Stammesangehörigen und Verwandten vermisst und verfolgt werden. Und sie langten kurz nach Mitternacht bei ihrem zuvor erstellten Treffpunkt wohlbehalten an.
63:2.4 Auf ihrer Wanderung nach Norden entdeckten sie ein offen daliegendes Feuersteinlager. Darin fanden sie viele Steine, deren Form sich für verschiedene Zwecke eignete, und sie legten davon einen Vorrat für die Zukunft an. Beim Versuch, die Feuersteine abzuwetzen, um sie für bestimmte Aufgaben geeigneter zu machen, entdeckte Andon ihre Eigenschaft, Funken zu erzeugen, und der Gedanke kam ihm, Feuer zu entfachen. Aber zu diesem Zeitpunkt setzte sich die Idee in ihm noch nicht fest, weil das Klima immer noch angenehm war und sie Feuer kaum benötigten.
63:2.5 Aber die Herbstsonne stand immer tiefer am Himmel, und je weiter sie nach Norden wanderten, umso kühler wurden die Nächte. Schon waren sie gezwungen gewesen, Tierfelle zu benutzen, um sich warm zu halten. Sie waren noch nicht einen Monat von zu Hause weg, als Andon seiner Gefährtin zu verstehen gab, er glaube, mit dem Feuerstein Feuer machen zu können. Zwei Monate lang versuchten sie nun, den Feuersteinfunken zur Entfachung eines Feuers zu benutzen, steckten aber nur Misserfolge ein. Tag für Tag schlugen die beiden die Feuersteine gegeneinander und bemühten sich, das Holz zu entzünden. Endlich, eines Abends zur Zeit des Sonnenuntergangs, enthüllte sich ihnen das Geheimnis der Technik, als Fonta auf den Gedanken kam, einen nahen Baum zu erklettern, um sich ein verlassenes Vogelnest zu verschaffen. Das Nest war trocken und leicht entzündbar und flammte lichterloh auf, als ein Funke darauf fiel. Ihr Erfolg überraschte und erschreckte sie dermaßen, dass ihnen darob beinahe das Feuer ausgegangen wäre, aber sie konnten es durch Zugabe geeigneten Brennstoffs retten. Und dann begaben sich die Eltern der ganzen Menschheit zum ersten Mal auf die Suche nach Brennholz.
63:2.6 Das war einer der freudigsten Augenblicke ihres kurzen, aber bewegten Lebens. Die ganze Nacht saßen sie an ihrem Feuer und schauten zu, wie es brannte, und dabei wurde ihnen unklar bewusst, dass sie eine Entdeckung gemacht hatten, die es ihnen ermöglichen würde, dem Klima zu trotzen und für immer von ihren tierischen Verwandten im Süden unabhängig zu bleiben. Nachdem sie sich drei Tage lang ausgeruht und an dem Feuer erfreut hatten, wanderten sie weiter.
63:2.7 Die Primatenahnen Andons hatten oft Feuer unterhalten, das durch Blitze entzündet worden war, aber nie zuvor hatten irdische Geschöpfe eine Methode besessen, um nach Belieben Feuer zu entfachen. Aber es dauerte lange, bis die Zwillinge lernten, dass trockenes Moos und anderes Material sich ebenso leicht entzündeten wie ein Vogelnest.
63:3.1 Seit der Nacht ihres Weggangs von zuhause waren fast zwei Jahre verflossen, als den Zwillingen ihr erstes Kind geboren wurde. Sie nannten es Sontad; und Sontad war das erste auf Urantia geborene Geschöpf, das im Augenblick seiner Geburt mit schützenden Hüllen bedeckt wurde. Die menschliche Rasse hatte begonnen, und mit dieser neuen Entwicklung erschien auch der Instinkt, angemessen für die Säuglinge zu sorgen, deren zunehmende Zartheit charakteristisch war für die stetige Verstandesentwicklung intellektueller Prägung im Gegensatz zum rein tierischen Typ.
63:3.2 Andon und Fonta hatten im Ganzen neunzehn Kinder, und sie durften sich noch einer Schar von fast fünfzig Enkeln und eines halben Dutzends von Urenkeln erfreuen. Die Familie hauste in vier nebeneinander liegenden Felsschlupfwinkeln oder -halbhöhlen, von denen drei miteinander durch Korridore verbunden waren. Diese waren mit Hilfe von Feuersteinwerkzeugen, die Andons Kinder erfunden hatten, aus dem weichen Kalk herausgehauen worden.
63:3.3 Diese frühen Andoniten verrieten einen sehr ausgeprägten Sippengeist; sie jagten in Gruppen und trieben sich nie sehr weit von zuhause herum. Sie schienen zu realisieren, dass sie eine isolierte und einzigartige Gruppe von Lebewesen waren und es daher vermeiden mussten, voneinander getrennt zu werden. Dieses innige Zusammengehörigkeitsgefühl war zweifellos dem verstärkten mentalen Wirken der Hilfsgeiste zuzuschreiben.
63:3.4 Andon und Fonta widmeten sich ohne Unterlass der Aufgabe, die Sippe zu ernähren und großzuziehen. Sie erreichten ein Alter von zweiundvierzig Jahren, als beide bei einem Erdbeben von einem überhängenden und herabstürzenden Felsbrocken erschlagen wurden. Fünf ihrer Kinder und elf Enkelkinder kamen mit ihnen um, und ungefähr zwanzig ihrer Abkömmlinge erlitten ernsthafte Verletzungen.
63:3.5 Nach dem Tode seiner Eltern übernahm Sontad trotz eines ernsthaft verletzten Fußes sogleich die Führung der Sippe, wobei ihm seine Frau, die seine älteste Schwester war, geschickt zur Hand ging. Ihre erste Aufgabe bestand darin, Steine heranzurollen, um ihre toten Eltern, Brüder, Schwestern und Kinder richtig zu begraben. Man sollte dieser Begräbnishandlung keine allzu große Bedeutung beimessen. Ihre Ideen über das Fortleben nach dem Tode waren sehr verschwommen und undeutlich, stammten sie doch weitgehend aus ihrem fantastischen und vielgestaltigen Traumleben.
63:3.6 Die Familie von Andon und Fonta hielt bis in die zwanzigste Generation zusammen, als Nahrungswettbewerb verbunden mit gesellschaftlichen Reibungen den Beginn der Zerstreuung herbeiführte.
63:4.1 Die primitiven Menschen — die andonischen Sippen — hatten schwarze Augen und dunkle Gesichtsfarbe, so etwas wie eine Mischung aus gelb und rot. Melanin ist eine Farbsubstanz, die man in der Haut aller menschlichen Wesen findet. Es handelt sich um das ursprüngliche andonische Hautpigment. In allgemeinem Aussehen und Hautfarbe glichen diese frühen Andoniten stärker den Eskimos als irgendeinem anderen Typ lebender menschlicher Wesen. Sie waren die ersten Geschöpfe, die zum Schutz vor Kälte Tierfelle verwendeten; ihre Körper waren kaum behaarter als die heutiger Menschen.
63:4.2 Das Leben im Stammesverband der tierischen Ahnen dieser frühen Menschen hatte bereits den Beginn zahlreicher sozialer Konventionen vorausahnen lassen, und nun trat mit dem Stärkerwerden der Gefühle und der steigenden Intelligenz dieser Wesen eine augenblickliche Entwicklung der gesellschaftlichen Organisation und der Arbeitsteilung innerhalb der Sippe ein. Sie waren äußerst nachahmefreudig, aber der Spieltrieb war nur schwach entwickelt, und Sinn für Humor ging ihnen fast gänzlich ab. Der primitive Mensch lächelte gelegentlich, aber er brach nie in herzhaftes Lachen aus. Humor war das Vermächtnis der späteren adamischen Rasse. Diese frühen Menschenwesen waren weniger schmerzempfindlich und reagierten weniger heftig auf unangenehme Situationen als viele der sich später entwickelnden Sterblichen. Das Gebären war für Fonta und ihre unmittelbaren Nachfahrinnen keine schmerzhafte oder qualvolle Prüfung.
63:4.3 Sie waren ein wunderbarer Stamm. Die Männer kämpften heroisch für die Sicherheit ihrer Gefährtinnen und Sprösslinge; die Frauen kümmerten sich rührend um ihre Kinder. Aber ihr Patriotismus galt einzig ihrer eigenen Sippe. Sie standen treu zu ihrer Familie; zur Verteidigung ihrer Kinder gaben sie ihr Leben ohne weiteres hin, aber sie waren des Gedankens unfähig, zu versuchen, aus der Welt einen besseren Ort für ihre Kindeskinder zu machen. Altruismus war im Menschenherzen noch nicht geboren, obwohl alle zur Geburt der Religion wesentlichen Gefühle in diesen Ureinwohnern Urantias bereits vorhanden waren.
63:4.4 Diese frühen Menschen besaßen eine rührende Zuneigung zu ihren Kameraden und hatten mit Sicherheit eine wirkliche, wenn auch grobe Vorstellung von Freundschaft. In späteren Zeiten war es ein gewöhnlicher Anblick, während der ständig neu ausbrechenden Kämpfe gegen die niedrigeren Stämme einen dieser primitiven Menschen mit einer Hand tapfer kämpfen zu sehen, während er sich verbissen darum bemühte, einen verletzten Mitkämpfer zu schützen und zu retten. Eine Ahnung von den edelsten und höchst menschlichen Zügen der späteren evolutionären Entwicklung kam in diesen primitiven Völkern auf rührende Weise zum Ausdruck.
63:4.5 Die ursprüngliche andonische Sippe behielt ihre Führungsrolle ohne Unterbrechung bis in die siebenundzwanzigste Generation, als Sontads direkte Nachkommen ohne männlichen Spross blieben und zwei Rivalen, die Anspruch auf die Führung der Sippe erhoben, miteinander um die Herrschaft kämpften.
63:4.6 Bis zu dem Zeitpunkt der großen Zerstreuung der andonischen Sippen war aus ihren frühen Kommunikationsbemühungen eine gut entwickelte Sprache entstanden. Diese Sprache wuchs ständig, und fast täglich wurde ihr Neues hinzugefügt aufgrund der von diesen aktiven, ruhelosen und neugierigen Menschen erdachten neuen Erfindungen und Umweltanpassungen. Und diese Sprache wurde bis zum späteren Erscheinen der farbigen Rassen zum Wort Urantias, zur Sprache der frühen menschlichen Familie.
63:4.7 Die Zeit verstrich, und die andonischen Sippen wurden immer zahlreicher, und das Nebeneinander der wachsenden Familien führte zu Reibungen und Missverständnissen. Schließlich beherrschten nur noch zwei Dinge die Gedanken ihrer Mitglieder: Jagen zur Nahrungsbeschaffung und Kämpfen, um sich für irgendeine wirkliche oder vermeintliche Ungerechtigkeit oder Beleidigung zu rächen, die ein Nachbarstamm ihnen zugefügt hatte.
63:4.8 Familienfehden nahmen zu, Stammeskriege brachen aus, und ernste Verluste waren gerade unter den Besten der fähigeren und fortgeschritteneren Gruppen zu beklagen. Einige dieser Verluste waren irreparabel; einige der an Fähigkeit und Intelligenz reichsten Linien gingen der Welt für immer verloren. Die unaufhörlichen Sippenkämpfe drohten, diese frühe Rasse und ihre primitive Zivilisation auszulöschen.
63:4.9 Es ist unmöglich, solch primitive Wesen dahin zu bringen, lange miteinander in Frieden zu leben. Der Mensch stammt von kämpferischen Tieren ab, und wenn unkultivierte Wesen eng zusammenleben, irritieren und beleidigen sie einander. Die Lebensbringer kennen diese Tendenzen der evolutionären Geschöpfe und sehen deshalb die schließliche Trennung der sich entwickelnden Menschenwesen in drei oder noch öfter sechs unterschiedliche, gesonderte Rassen vor.
63:5.1 Die frühen andonischen Rassen drangen nicht weit ins Innere Asiens vor und betraten Afrika vorerst noch nicht. Die Geographie jener Zeiten lenkte sie nach Norden, und diese Völkerstämme zogen immer weiter nordwärts, bis das langsam vorrückende Eis des dritten Gletschers sie aufhielt.
63:5.2 Bevor dieses ausgedehnte Eisfeld Frankreich und die britischen Inseln erreichte, waren die Nachkommen Andons und Fontas westwärts durch Europa gezogen und hatten entlang den großen Flüssen, die den damals warmen Wassern der Nordsee zuströmten, über tausend einzelne Niederlassungen angelegt.
63:5.3 Diese andonischen Stämme waren die frühen Flussuferbewohner Frankreichs; während Zehntausenden von Jahren lebten sie entlang der Somme. Die Somme ist der einzige Fluss, dessen Lauf durch die Gletscher nicht verändert worden ist, und sie floss damals ungefähr auf demselben Weg ins Meer wie heute. Und das erklärt, weshalb man im Tal dieses Flusslaufs so viele Spuren von den andonischen Nachkommen findet.
63:5.4 Diese Ureinwohner Urantias waren keine Baumbewohner, obwohl sie sich in Notsituationen immer noch in die Baumkronen hinaufflüchteten. Sie wohnten im Allgemeinen entlang den Flüssen im Schutze überhängender Felsen und in den Höhlen von Hügelflanken, die ihnen eine gute Sicht auf die Zugänge und Schutz vor den Elementen gewährten. Das erlaubte ihnen, sich der Annehmlichkeit ihrer Feuer zu erfreuen, ohne zu stark unter dem Rauch zu leiden. Sie waren keine richtigen Höhlenbewohner, obwohl die weiter nach Süden vorstoßenden Eisdecken späterer Zeiten ihre Nachkommen in die Höhlen trieben. Sie zogen es vor, ihr Lager an einem Waldrand und an einem Fluss aufzuschlagen.
63:5.5 Früh entwickelten sie bemerkenswerten Scharfsinn im Tarnen ihrer teilweise geschützten Behausungen und bewiesen großes Geschick beim Bau von steinernen Schlafkammern, kuppelförmigen Steinhütten, in die sie sich nachts verkrochen. Der Eingang zu solch einer Hütte wurde verschlossen, indem man einen Stein davor rollte, einen großen Stein, den man zu diesem Zweck ins Innere gebracht hatte, bevor die Dachsteine an ihren Platz gelegt wurden.
63:5.6 Die Andoniten waren furchtlose und erfolgreiche Jäger und lebten, von wilden Beeren und bestimmten Baumfrüchten abgesehen, ausschließlich von Fleisch. Gleich Andon, der die Steinaxt erfunden hatte, entdeckten seine Nachfahren schon früh den Wurfspeer und die Harpune und setzten sie mit Erfolg ein. Endlich wirkte ein die Werkzeuge ersinnender Verstand mit einer die Geräte bedienenden Hand zusammen, und diese frühen Menschen erlangten sehr großes Geschick bei der Gestaltung von Feuersteinwerkzeugen. Sie reisten sehr weit, um Feuerstein ausfindig zu machen, ganz so wie heutige Menschen sich auf der Suche nach Gold, Platin und Diamanten bis ans Ende der Welt begeben.
63:5.7 Und noch in manch anderer Weise zeigten diese andonischen Stämme einen Intelligenzgrad, den ihre sich zurückentwickelnden Nachfahren in einer halben Jahrmillion nicht erreichten, obwohl sie verschiedene Methoden der Feuerentfachung wieder und wieder neu entdeckten.
63:6.1 Mit ihrer fortschreitenden Zerstreuung fielen die Andoniten kulturell und geistig nahezu zehntausend Jahre lang zurück bis in die Tage Onagars, der die Führung dieser Stämme übernahm, unter ihnen Frieden stiftete und sie, zum ersten Mal, zur Verehrung „Dessen, der Menschen und Tieren den Atem gibt“ veranlasste[1].
63:6.2 Andons Philosophie war höchst verworren gewesen; wenig fehlte, er wäre ein Feueranbeter geworden, weil ihm seine zufällige Entdeckung des Feuers solch große Annehmlichkeit bereitete. Hingegen lenkte ihn Einsicht von seiner eigenen Entdeckung weg zu der Sonne als einer höher stehenden und größere Ehrfurcht gebietenden Quelle von Wärme und Licht; aber sie war zu weit weg, und so wurde aus ihm kein Sonnenanbeter.
63:6.3 Die Andoniten entwickelten eine frühe Furcht vor den Elementen — Donner, Blitz, Regen, Schnee, Hagel und Eis. Aber Hunger war der ständig wiederkehrende Antrieb dieser frühen Tage, und da sie sich weitgehend von Tieren ernährten, entwickelten sie schließlich eine Art Tierverehrung. Für Andon waren die größeren, der Nahrung dienenden Tiere Symbole schöpferischer Kraft und erhaltender Macht. Von Zeit zu Zeit wurde es Brauch, verschiedene dieser größeren Tiere als Objekte der Anbetung zu bezeichnen. Solange sich ein besonderes Tier großer Beliebtheit erfreute, wurde es in rohen Umrissen auf die Höhlenwände gezeichnet, und als später in den Künsten ständige Fortschritte gemacht wurden, gravierte man einen solchen Tiergott auf verschiedenen Ornamenten ein.
63:6.4 Schon sehr früh nahmen die andonischen Völker die Gewohnheit an, auf das Verzehren von Tieren zu verzichten, die Stammesverehrung genossen. Um die Gemüter ihrer Jünglinge eindringlicher zu beeindrucken, entwickelten sie eine Zeremonie der Ehrerbietung, die sich um den Körper eines dieser verehrten Tiere herum abspielte; und noch später verwandelte sich dieser primitive Vorgang in die komplizierteren Opferhandlungen ihrer Nachfahren. Und das ist der Ursprung von Opfern als Teil der Anbetung. Diese Idee wurde von Moses im hebräischen Ritual ausgearbeitet und im Prinzip vom Apostel Paulus in der Lehre von der Wiedergutmachung der Sünde durch „Blutvergießen“ beibehalten[2][3].
63:6.5 Dass der Nahrung im Leben dieser primitiven menschlichen Wesen überragende Bedeutung zukam, zeigt das Gebet, das Onagar, ihr großer Lehrer, sie lehrte. Und dieses Gebet lautete:
63:6.6 „Oh Lebensatem, gib uns heute unsere tägliche Nahrung, befreie uns vom Fluch des Eises, rette uns vor unseren Feinden im Walde, und nimm uns im Großen Jenseits barmherzig auf.“
63:6.7 Onagar unterhielt sein Hauptquartier an der Nordküste des alten Mittelmeers in der Gegend des gegenwärtigen Kaspischen Meeres in einer Oban genannten Niederlassung, einem Rastplatz, wo der vom mesopotamischen Südland her nordwärts führende Reisepfad nach Westen abbog. Von Oban aus entsandte er Lehrer zu den fernen Siedlungen, um dort seine neuen Lehren von einer einzigen Gottheit und seine Vorstellung vom Leben nach dem Tode, das er das Große Jenseits nannte, zu verbreiten. Diese Sendlinge Onagars waren der Welt erste Missionare; sie waren auch die ersten menschlichen Wesen, die das Fleisch kochten, die ersten, die zur Zubereitung der Speisen regelmäßig Feuer benutzten. Sie kochten das Fleisch an Steckenenden gar oder auch auf heißen Steinen; später brieten sie große Stücke im Feuer, aber ihre Nachkommen kehrten fast vollzählig zum rohen Fleischgenuss zurück.
63:6.8 Onagar wurde vor 983 323 Jahren geboren (von 1934 n. Chr. aus gerechnet) und erreichte ein Alter von neunundsechzig Jahren. Die Aufzeichnung all dessen, was dieser überragende Denker und geistige Führer der dem Planetarischen Fürsten vorausgehenden Tage vollbrachte, ist die begeisternde Beschreibung der Organisation dieser primitiven Völker zu einer wirklichen Gesellschaft. Er setzte eine leistungsfähige Stammesregierung ein, wie sie von folgenden Generationen während vieler Jahrtausende nicht wieder erreicht wurde. Nie wieder bis zur Ankunft des Planetarischen Fürsten gab es auf Erden eine so hoch stehende geistige Zivilisation. Diese einfachen Menschen besaßen eine wahre, wenn auch primitive Religion, aber ihre entartenden Abkömmlinge gingen ihrer wieder verlustig.
63:6.9 Obwohl sowohl Andon wie Fonta und viele ihrer Nachkommen Gedankenjustierer erhalten hatten, dauerte es bis zu den Tagen Onagars, bis Justierer und seraphische Hüter in großer Zahl nach Urantia kamen. Dies war wahrhaftig das goldene Zeitalter des primitiven Menschen.
63:7.1 Andon und Fonta, die prächtigen Begründer der menschlichen Rasse, erhielten ihre Anerkennung zur Zeit des Gerichts über Urantia bei der Ankunft des Planetarischen Fürsten und gingen zu gegebener Zeit aus der Ordnung der Residenzwelten als Bürger Jerusems hervor. Obwohl sie nie die Erlaubnis zur Rückkehr nach Urantia erhalten haben, kennen sie die Geschichte der Rasse, die sie begründet haben. Schmerzlich empfanden sie Caligastias Verrat, Adams Versagen betrübte sie, aber sie freuten sich über die Maßen, als die Nachricht eintraf, Michael habe ihre Welt zum Schauplatz seiner letzten Selbsthingabe auserkoren.
63:7.2 Auf Jerusem fusionierten Andon und Fonta sowie mehrere ihrer Kinder einschließlich Sontads mit ihren Gedankenjustierern, aber die Mehrheit sogar ihrer unmittelbaren Abkömmlinge brachte es nur bis zur Fusion mit dem Geist.
63:7.3 Kurz nach ihrer Ankunft auf Jerusem erhielten Andon und Fonta vom Souverän des Systems die Erlaubnis, auf die erste Residenzwelt zurückzukehren, um zusammen mit den morontiellen Persönlichkeiten zu dienen, welche die von Urantia auf den himmlischen Sphären eintreffenden Pilger der Zeit willkommen heißen. Und sie sind diesem Dienst auf unbestimmte Zeit zugeteilt worden. Im Zusammenhang mit diesen Offenbarungen hätten sie Urantia gerne Grüße übermittelt, aber dieser Wunsch wurde ihnen weise verwehrt.
63:7.4 Damit endet die Erzählung des heldenhaftesten und fesselndsten Kapitels der ganzen Vergangenheit Urantias, die Geschichte von Entwicklung, Lebenskampf, Tod und ewigem Fortleben der einzigartigen Eltern der ganzen Menschheit.
63:7.5 [Dargeboten von einem auf Urantia wohnhaften Lebensbringer.]
Schrift 62. Die Dämmerstunde der primitiven Menschenrassen |
Index
Mehrfachversion |
Schrift 64. Die evolutionären farbigen Rassen |